Die letzten Jäger und Sammler in Neustadt

Um etwa 5500-4100 v. Chr. lebten im heutigen Dänemark, Schleswig-Holstein, in Gebieten der Ostseeküste bis ins Baltikum und in Südschweden die letzten Wildbeuter. Wie der Name schon sagt, erwarben sie ihre Nahrung hauptsächlich durch die Jagd oder den Fischfang, im Gegensatz zu den bäuerlichen Kulturen, die zur gleichen Zeit im Süden lebten. Sie wussten außerdem bereits, wie man Keramiktöpfe herstellte. Die Archäologen gaben diesen letzten Jägern und Sammlern den Namen Ertebølle Kultur, nach einer Fundstelle im nördlichen Jütland.

Seit dem 19. Jahrhundert wurden immer wieder Hinterlassenschaften jener Kultur im Vorhafengelände Neustadts entdeckt. Bei einer näheren Untersuchung des Gebiets im Jahre 1999 stellte sich heraus, dass man es mit endmittelsteinzeitlichen Siedlungsresten zu tun hatte, die sich in 3-4m Tiefe befanden. In den folgenden Jahren, genauer gesagt von 2000-2006, untersuchten Mitarbeiter des Archäologischen Landesamtes Schleswig, Forschungstaucher der Universität Kiel und die AMLA den Fundplatz taucherisch. Damit kleinste Funde bei der Grabung nicht verloren gingen, saugte man mit Injektoren die Fläche ab und fing das Fundmaterial in engmaschigen Sieben auf. An Land wurden diese gesäubert und sortiert.

Unter den gemachten Funden befanden sich vor allem Dinge aus dem täglichen Gebrauch, wie zum Beispiel Werkzeuge aus Flint oder Holz. Dazu gehören Scheibenbeile, Schaber und Bohrer. Außerdem bestimmten Holzspeere, Pfeile, Knochenharpunen und weitere Jagdwaffen das Fundbild. Besondere Erwähnung verdienen die Teile eines Einbaums aus Linde sowie zwei donauländische Äxte, die auf Beziehungen zu Kulturen im Süden schließen lassen. Neben diesen Funden fand man Tausende von Tierknochen, deren Auswertung den Forschern Aufschluss über die Lebensweise der Wildbeuterkultur geben. So jagte man vor allem Rotwild, Rehe und Wildschweine mit Pfeil und Bogen, wohingegen man Tiere wie Fuchs, Baummarder, Wildkatzen und Dachse mit Fallen gefangen hat. Allerdings dominierten unter den Säugetierresten stark im Meer lebende Arten wie Robben oder Schweinswal, die man mit Harpunen zur Strecke brachte. Über 10.000 Fischknochen unterstützen den Eindruck, dass die Ostsee als Hauptjagdgebiet der hier gelebten Menschen diente. Die Auswertung ergab, dass hauptsächlich Plattfische und Dorsche verzehrt wurden. Gefangen wurden diese mithilfe ausgefeilter Technik wie Fischreusen und Fischstechern.

 



 

Trotz genauer Untersuchung kann bisher nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ob es sich bei dieser ehemaligen Siedlung um eine ganzjährlich genutzte Station der Ertebølle Kultur handelt. Die Menge der Funde spricht jedoch dafür.

Quellen:
•    Glykou, A.; Hartz, S., Neues aus Neustadt. Ausgrabungen zur Ertebølle- und frühen Trichterbecher-Kultur in Schleswig-Holstein, Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 2008, 17-19
•    Halbwidl, E.; Huber, F., Zehn Jahre AMLA. Die Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Skyllis. Zeitschrift für Unterwasserarchäologie, 9,2009, 54-61
•    Hartz, S., Neustadt-Marienbad wiederendeckt – Jäger und Fischer der Ertebøllekultur an der ostholsteinischen Ostseeküste, Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 12, 2001, 7-26