Das Wrack der Hedwig Sophia

1970 entdeckte der Berufstaucher Rolf Lorenz bei einem Sporttauchgang vor Bülk zwei unterschiedliche Kanonen des frühen 18. Jahrhunderts. Beide Objekte werden noch im selben Jahr geborgen und an das ALSH (Archäologisches Landesamt Schleswig Holstein) übergeben. In den folgenden Jahren wurden einige weitere Kanonen entdeckt. Durch Auffinden der ersten Kanonen vermutete Lorenz schon früh, dass sich in der Nähe der Kanonen auch das zugehörige Wrack befinden muss, konnte es aber zunächst nicht lokalisieren.


Bei Wartungsarbeiten im Jahre 1984 an der Dückerleitung des Klärwerks Bülk, entdeckte er etwa 100m von einem der Klärwerksabläufe entfernt, einen enormen Steinhaufen, der zum Teil auch Ziegel enthielt. Aufgrund dieser Ziegel erkennt Lorenz den Steinhaufen nicht als Ballast eines Schiffes. Er vermutet vielmehr, dass er mit dem Bau des Klärwerks in Zusammenhang steht.


Drei Jahre später wird ein weiteres Geschütz von unbekannten Tauchern geborgen. Es wird möglicherweise nach Berlin verkauft, somit sind Verbleib und die genaue Position auch bei diesem Kanonenfund unbekannt. Jedoch soll sich das veräußerte Objekt nahe der 1970 geborgenen Kanonen befunden haben.


Danach ist es lange Zeit ruhig um den Fundplatz. Erst 14 Jahre später taucht ein weiteres Geschütz auf. Es wird durch Erich Halbwidl während eines Tauchgangs im Rahmen der Forschungstaucherausbildung der Universität Kiel entdeckt. Die Bergung erfolgte am 18.04.2002 mit Hilfe der FK Littorina. Die Kanone wird anschließend in das ALSH verbracht und dort konserviert.
Im gleichen Jahr konnte ebenfalls das Kanonenkugelstreufeld nordöstlich des Ballaststeinhaufens ermittelt werden.

 


Mit dem Erwerb eines neuen Sonargerätes im Winter 2006 forciert Lorenz die Suche nach dem Wrack und weiteren Geschützen. Hinweise des Tauchers Heinz Bojahr ermöglichen Lorenz die Ermittlung von zwei weiteren Geschützpositionen. Insgesamt werden in den Jahren 2007 – 2010 neun Kanonen gefunden. Sie weisen zum Teil rezente Beschädigungen am Korrosionsmantel auf, aber auch ältere Beschädigungen, wie entfernte Schildzapfen, sind beobachtet worden. Des Weiteren war es ihm möglich, einen Kanonenabdruck im Sediment zu ermitteln, welcher unter Umständen einer bereits geborgenen Kanone zuzuordnen ist.


Mit den im Laufe der Zeit gesammelten Positionen wird sichtbar, dass die Kanonen in einer Reihe von Ost nach West auf die Küste Bülks zulaufen. Lorenz setzt daher seine Suche nach dem Wrack fort, das er im ufernahen Bereich am Ende der Reihe vermutet. Ein Gespräch mit Heinz Bojahr im Jahr 2008 liefert dann den entscheidenden Hinweis, indem er sich an den Steinhaufen erinnert, den er bereits 1984 bei der Wartung des Bülker Klärwerks entdeckt hatte. Es sollte sich herausstellen, dass es sich bei der Anhäufung von Steinen und Ziegeln nicht, wie zuvor angenommen, um Überreste von Bauarbeiten des Klärwerks handelte, sondern um den Ballast eines schwedischen Kriegsschiffes des späten 17. Jahrhunderts - der „Prinsessan Hedvig Sophia“. Bei darauf folgenden genaueren Studien des Platzes wurden zudem massive Holzteile sichtbar  . Lorenz meldete den Befund umgehend dem ALSH und schon im März 2008 wird das Wrack unter Schutz gestellt. In der im Mai folgenden Untersuchung durch das ALSH, dem ALM (Archäologisches Landesmuseum) und der AMLA (Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie) wurden Dendroproben zwecks Altersbestimmung entnommen, welche eine Datierung für das Jahr 1683 ansetzten und die Vermutung, dass es sich bei dem Schiff um die Hedvig Sophia handeln könnte, untermauerten. Weitere Untersuchungen durch Taucher der AMLA im September 2008 und des archäologischen Landesamtes folgten im September des gleichen Jahres. Während der fünftägigen unterwasserarchäologischen Untersuchungen wurde ein dauerhaftes Messsystem mit vier Messpunkten installiert. Der Bug wurde bis zum Ballaststeinhaufen freigelegt, dokumentiert sowie fotografiert.

 

 

Parallel untersuchen Rolf und Gerald Lorenz die Fundplatzumgebung mit einem Metalldetektor. Sie finden unter anderem die Überreste eines Säbels. Unmittelbar östlich des Heckbereiches wird nunmehr ein Streufeld bestehend aus Musketen- und Kanonenkugeln sichtbar. Die Kürze des Grabungszeitraumes ließ jedoch viele Fragen unbeantwortet. Daher wurde eine weitere Grabungskampagne des ALSH in Zusammenarbeit mit Forschungstauchern der AMLA angesetzt, die im Februar 2009 folgen sollte.


Erstmals legen die Taucher neben dem Bug auch den Heckbereich des Wracks frei. Zur Erstellung eines 3D – Modells durch Anne Sedlazeck, wurde im Rahmen einer Doktorarbeit am Institut für Informatik der CAU zu Kiel, der Bugbereich erneut fotografiert. Die vorherrschenden schlechten Sichtbedingungen von unter einem Meter verhinderten jedoch eine komplette Erstellung des Modells.

 


Alle Arbeiten werden von der „Süderaue“ getätigt. Das Spezialschiff wird mit Pfeilern fest im Boden verankert. Dadurch war es den Tauchern gestattet, unabhängig von Wind und Wellen zu arbeiten. Neben den archäologischen Arbeiten ist die Hedvig Sophia während des Grabungszeitraumes gleichzeitig Gegenstand von Dreharbeiten. In der 14- tägigen Kampagne entsteht der Dokumentarfilm „Kampf um die Ostsee“, (eine Produktion von Spiegel TV). Die Dreharbeiten nehmen einen Großteil der Grabungszeit in Anspruch. Folglich war es nicht möglich, alle vor Grabungsbeginn festgesetzten Ziele durchzuführen.

Im Sommer 2010, im Rahmen der alljährlichen „Fieldschool“ des „Maritime Archaeology Programme, University of Southern Denmark“, war es das Ziel die Lücken der bisherigen Forschung zu schließen und neue Vorhaben hinzuzufügen. Es entstand eine Kooperative zwischen der Universität Süddänemark, dem ALSH und Forschungstauchern des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel.Während der 21 - tägigen Lehrgrabung wird der Wrackkörper sowie der Ballaststeinhaufen vollständig eingemessen.

 


Die Einmessung des Streufeldes, sowie die Überprüfung der einzelnen Kanonenpositionen war zeitlich nicht möglich. Weitere Untersuchungen sind folglich wünschenswert um das Fundplatzszenario zu komplettieren.
Zuletzt konnten erneut durch Lorenz im Oktober 2010 zwei weitere Geschütze ermittelt werden.

 

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ZDF-Mediathek: Kampf um die Ostsee

 

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